Freitag, 23. Februar 2018

Ex ist in


von Sophie Lange
„Das ist mein Ex-Chef!“, stellt Susanne ihrer Freundin einen Herrn vor, den sie zufällig bei einer Ausstellung treffen. Jetzt hat Susanne tausend Fragen über ihre Ex-Kollegen und Ex-Kolleginnen. So erfährt sie, dass Ex-Kollegin Rita sich von ihrem Mann getrennt hat, weil dieser mit der Ex-Abteilungsleiterin ein „Fisternöllchen“ hat. Ex-Kollege Franz ist wieder mit seiner zweiten Ex-Ehefrau zusammen und der Ex-“Frauenversteher“ hat gekündigt.
Das saloppe Kurzwort „Ex“ wird heute viel bemüht. Es steht zum Beispiel für Ehemalige bei persönlichen Beziehungen, so kommt es zum Ex-Mann, zur Ex-Frau, zum Ex-Liebhaber oder zum Ex-Freund. Besonders viele Ex-Freunde kann ich bei Facebook haben. Da habe ich als Voraussetzung zunächst viele Freunde. Aber dann wird mir das zu viel des Guten und so „ent“freunde (offizielles Wort) ich mich von Freunden, mit denen ich so gut befreundet bin, dass ich sie nicht einmal kenne. Selbstverständlich werde auch ich persönlich „ent“freundet und so mehren sich die Ex-Freunde ständig. Doch man fragt sich: Sind das wirklich wahre Freunde? Kann ich überhaupt einem echten Freund die Freundschaft kündigen, sodass er zum Ex-Freund wird? Die Höhner singen es ganz klar: „Echte Fründe ston zesamme...“  Unzertrennlich!
Andererseits kann Ex auf eine frühere Funktion hinweisen. Und in dieser Art ist der Ausdruck schon länger bekannt. So stößt man bereits in Schriften von 1900 auf Ex-König, Ex-Kaiser, Ex-Minister und Ex-Exzelenz. Sogar ein Land kann „ge-ext“ werden. So ist die DDR nun eine Ex-DDR. Wenn man jedoch von Geburt DüsseldorferIn ist, bleibt man lebenslang DüsseldorferIn, auch wenn es einen irgendwo anders hin verschlägt. Ex- DüsseldorferIn? Geht nicht! Und wer sagt: Ich bin ein Berliner, der bleibt es für immer und ewig.
In der Politik sind die Ex an der Tagesordnung: Ex-Bundeskanzler, Ex-Parteivorsitzender, Ex-Minister. Außerhalb der Politik wird der Karnevalsprinz vom vorigen Jahr in diesem Jahr zum Ex-Karnevalsprinz.

Die kleine Trixi mag es gar nicht, wenn ihre Mama von ihrem Papa als „mein Ex“ spricht. Kann sie nicht einfach Papa sagen? Als Mama mit der Nachbarin bei einer Tasse Kaffee plaudert, geht es wieder los. “Mein Ex“ fängt jeder zweite Satz an. Trixi liegt auf dem Teppich und malt in ihrem Zeichenblock. Mama und Papa sind die beiden großen Hauptfiguren in der Mitte des Bildes. Aber sie hat die Ohren gespitzt und bekanntlich haben „kleine Kessel große Ohren“. Sie kriegt alles mit. Besonders als das Ablästern losgeht: über die Ex-Schwiegermutter – diese Tratsch-Schnüss, (Klatschtante), über die Ex-Schwägerin – diese arrogante Zimtzicke, den Ex-Onkel Schlawiner und die ganze popelige Ex-Verwandtschaft. Da malt Trixi schnell lauter Strichmännchen neben Papa. Schwarz! Neben Mama ist dann Platz für die liebe Verwandtschaft der Mutter. Bunte lachende Figuren! Und mitten drin – sowohl links als rechts – steht Trixi und sieht ziemlich konsterniert aus.
Als die Mutter abends Trixi zu Bett bringt, ist diese nachdenklich. Irgendetwas bedrückt sie. Und dann rückt sie mit ihrer Sorge heraus.
„Mama, gibt es auch eine Ex-Mama?“, fragt sie
„Nein!“ beruhigt die Mutter schnell. „Deine Mama bleibt immer deine Mama.“
„Und Papa?“
Die Mama erklärt ruhig: „Er ist zwar mein Ex-Mann, er bleibt aber immer dein Papa ...“
„Können Oma Muttzi und Opa Juppi auch zum Ex werden?“
„Nein, nein“, beteuert die Mutter „die bleiben immer deine Großeltern.“
Trixi atmet auf. „Da bin ich aber froh.“ Sie nimmt ein Kuscheltier, diesmal ist es das niedliche, mollige Sorgenfresserchen, drückt es fest an sich und schon ist sie eingeschlafen.

Kind müsste man sein und ein Sorgenfresserchen haben, das über Nacht alle trüben Gedanken und Einschlafstörungen vertilgt. Und weit und breit kein Ex. 

Freitag, 16. Februar 2018

Das kann doch nur am Wetter liegen



von Sophie Lange
Hast du schlecht geschlafen in der Nacht,
bist miesepetrig aufgewacht,
will der Griesgram überwiegen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Tut dir heute alles weh,
Kopf und Rücken, Knie und Zeh,
möchtest nur ins Bett dich wohlig schmiegen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Schmeckt das Essen dir mitnichten,
kannst noch nicht mal richtig dichten,
befürchtest du gar heimliche Intrigen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Hast du zum Spazierengehen keine Lust,
jede Bewegung bringt nur argen Frust,
kannst du den inneren Schweinehund nicht besiegen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Bei einer heftigen Diskussion zu zweit,
kommt es aus nichtigem Grund zum Streit.
Wenn zwei sich in die Wolle kriegen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Scheint dir die ganze Welt voll Plag',
glaubst, dass niemand dich ein bisschen mag,
wünschst dir zum Mond hinauf zu fliegen,
– dann kann das nur am Wetter liegen.


Freu'  dich auf morgen, auf die Sonne,
das Leben lacht dann voller Wonne.
Doch macht selbst  d a s  dir kein Vergnügen,
– so kann es -nicht- am Wetter liegen.









Mittwoch, 7. Februar 2018

Jeck mit Kamillentee

 von Sophie Lange

Karneval ist nicht mein Fall, zu laut, zu trinkfreudig, zu ausgeflippt, zu jeck.

Doch einmal habe ich tatsächlich bei einem Rosenmontagszug mitgemacht. Nicht in Düsseldorf, nicht in Köln, nicht in Mainz. Nein, bei einem kleinen Umzug in einem kleinen, aber feinen Dorf in der Eifel.

Wie es dazu kam, weiß ich gar nicht mehr; auf jeden Fall marschierte unsere Wandergruppe als Fußgruppe mit. Motto: Wandergruppe. Was sonst! Zuerst hatte ich mich gewehrt, doch energisch wurde mir die Faustregel vorgehalten: Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Da ging kein Weg dran vorbei.

 Es war kalt, bitterkalt. Da galt es, viele Sachen übereinander anzuziehen, ein T-Shirt, einen Pullover, noch einen Pullover und noch einen Pullover und zum Schluss ein schwarz-rot kariertes Baumfällerhemd. Und natürlich eine kratzende Baumwoll-Strumpfhose, eine ausgeleierte Jogginghose und darüber eine Cordhose von Opa, Größe XXXL. Und feste klobige Wanderschuhe. Wir sahen aus „wie ne Bär op Söcke“ (Bär auf Socken) und bewegten uns auch so.

Zur Stärkung hatten die Männer einen Kasten Bier dabei, den sie in einem Bollerwagen hinter sich herzogen. Auch ein Kasten Sprudel hatte noch Platz gefunden. Dazwischen ein paar Schnapsflaschen. Steinhäger. Wir Frauen nahmen  etwas zu futtern mit: Schmalzgebäck, wie es zu Fastnacht üblich ist. Unsere tüchtigen Hausfrauen hatten Muuzen und Muuzemändelchen gebacken, oder vielmehr in Öl frittiert; ich hatte Berliner beim Bäcker gekauft. Da konnte nichts schief gehen. Um den Hals hatten wir eine Stofftasche mit Kamelle hängen.

Wir waren schon früh an der Sammelstelle, bekamen unseren Platz angewiesen und mussten warten, warten, warten. Das dauerte ewig, bis alle Wagen sich einrangiert hatten. Und dabei konnte man die Gruppen an einer Hand abzählen, na gut – ein paar mehr waren es schon. Die Männer labten sich derweil am Bier, wir tranken Sprudel zu unseren Muuzen und zitterten wie Espenlaub.

Endlich ging es los. Ein Tusch und dann spielte die Musikkapelle: Es war einmal ein treuer Husar. Anscheinend war es das einzige Karnevalslied, das die Hobbymusiker eingeübt hatten, denn sie spielten es wie in einer Endlosschleife immer und immer wieder - nur manchmal unterbrochen vom Radetzky-Marsch oder von „Alte Kameraden“. Und wir kannten nur die erste Strophe und sangen fortlaufend: „Es war einmal ein treuer Husar, der liebte sein Mädel ein ganzes Jahr, ein ganzes Jahr und noch viel mehr, die Liebe nahm kein Ende mehr.“ Und dann wieder von vorne. Acht Strophen hat das Lied, die jedoch keiner kennt. Aber dann fielen einer Wanderschwester zwei Zeilen ein und in einer Atempause schmetterte sie mit heller Stimme: „Ach Mutter, bring geschwind ein Licht, mein Liebchen stirbt, ich seh' es nicht.“ Und schon fiel die ganze Bagage ein: Ein ganzes Jahr und noch viel mehr....

Ich hatte eine Flasche in der Hand. Gold auf grün prangte in Großbuchstaben auf dem Etikett: APFELKORN. Darunter lachte ein pausbackiger roter Apfel. Apfelsaft und hochprozentiger Korn, das waren die Inhaltsstoffe. Hörte sich wohlschmeckend an. Alle paar Minuten nahm ich einen kräftigen Schluck.

Bald schon stand der Zug still. Die Bahnschranken waren geschlossen und ein Eilzug machte uns Konkurrenz. Die Bierflaschen waren längst leer und nun nutzten einige Wanderfreunde die Wartezeit, schnell zur nahen Kneipe zu bollern und den leeren Kasten in einen vollen Kasten umzutauschen.

Ein Knickerbocker aus der Gruppe trat auf mich zu. „Heeh, es ist in einer Gruppe üblich, dass man eine Flasche rund gehen lässt, damit jeder einen Schluck nehmen kann.“
„Nein, Nein!“ wehrte ich ab und hielt die Flasche hoch in die Luft. Doch da hatte ich meinen Hintermann nicht berücksichtigt. Schwupps hatte er diese gepackt und reichte sie dem Knickerbocker. Dieser drehte den Verschluss ab, setzte die Flasche an den Kopf, nahm einen Schluck und  - mit einem „Baah“ spuckte er das Gesöff im weiten Bogen aus. „Pfui Deuwel, watt es datt dann?“ donnerte er. Ich erklärte freundlich: „Reiner Kamillentee, ohne Zucker, ohne Honig. Gesund!“ Und jetzt erklärte ich mich großzügig bereit, die Flasche rundgehen zu lassen. Doch seltsamerweise wollte jetzt niemand mehr.

Schon bald standen wir in einer anderen  Straße von der anderen Seite vor den Schranken. Hier bejubelten uns sogar einige Zuschauer. Wir waren nicht mehr zu bremsen. Wir stürzten auf sie zu, warfen Kamelle „unters Volk“, hakten uns zum Schunkeln ein, ernteten sogar Fastelovends-Küsschen. Was hatten wir Spaß an der Freud'! Ich  wollte einen älteren, etwas abseits stehenden Herrn mit Alaaf und Helau zum Schunkeln animieren, doch er wehrte mich mürrisch ab. Seine ganze Körperhaltung signalisierte: “Wiev, bliev mir vam Liev!“(Weib, bleib mir vom Leib!) Karneval schien nicht sein Fall zu sein. Soll es ja geben. Ich hob entschuldigend die Apfelkornflasche hoch und lallte: „Zu-zuviel ge-getrunken.“

„Joo, joo,“ brummte er. „Alkohol enthemmt.“ Wenn der gute Mann wüsste, was sonst noch alles enthemmt. Sogar Kamillentee.

Nachdem wir zehnmal durch das Dorf gezogen waren, gefühlte 100 mal den treuen Husaren besungen hatten, immer wieder vor den geschlossenen Bahnschranken gebibbert hatten, mehrmals den Bierkasten umgetauscht hatten, alle Schnapsflaschen geleert (auch meine Flasche) und alle Muuzen und Muuzemändelchen verputzt  hatten, erholten wir uns in unserer Stammkneipe von den Strapazen.
„Was soll's denn sein?“ fragte die freundliche Wirtin. Ich wollte meinen kleinen Schwindel wieder gutmachen und bestellte: „Eine Runde Apfelkorn.“ Der Abend wurde noch lustig. Joo, joo, Alkohol enthemmt. Und Karneval kann richtig Spaß machen.

Der nächste Tag: Wir waren alle ziemlich schweigsam. Die Stimme war weg, einfach weg. Dafür trieb ein Ohrwurm sein nerviges Spiel: Ein ganzes Jahr. Die Füße brannten wie nach der Wallfahrt nach Barweiler oder Kevelaer. Über alle anderen Kater-Beschwerden schweigt des Sängers Höflichkeit. Aber schön war es doch!