Samstag, 31. März 2018

Als der Osterhase lächelte


von Sophie Lange
Am Nachmittag des Ostersonntags machten wir uns auf zu einem Osterspaziergang. Die drei Kinder waren zuerst nicht begeistert, aber als ich in Aussicht stellte, dass wir vielleicht im Wald Ostereier fänden, waren sie doch zu überreden. Die zwei Achtjährigen kicherten allerdings: „Die Erwachsenen glauben noch an den Osterhasen. Sind die blöd!“
Der Kleine verteidigte Eltern und Großeltern: „Klar gibt es den Osterhasen! Ihr seid blöd!“

Am Waldrand nahm ich mit Oma auf einer Bank Platz, während die Kinder im gegenüberliegenden Brachfeld herumtollten und Ostereier suchten. Vater bekam eine voll gefüllte Stofftasche und wurde beauftragt, Osterhase zu spielen und den Inhalt im hinter uns angrenzenden Wald zu verstecken, im Moos, in Grasbüscheln, unter Sträuchern und in tiefen Astlöchern. Währenddessen erzählte Oma von früheren Zeiten. Zu ihrer Jugend hatte man einfache Naturmittel zum Färben genutzt: Zwiebelschalen, Rotkohl- und Grünkohlblätter, Walnussschalen, aber aus dem Haushalt auch Kaffee oder schwarzen Tee. Sehr seltsam mutet uns heute der Brauch an, die bereits einfarbig gefärbten gekochten Eier vorsichtig in einen Ameisenhaufen zu legen. Die fleißigen Insekten bespritzen die Eier mit Ameisensäure und so entsteht ein bizarres Gesprenkel.

Nach einiger Zeit kamen die Kinder enttäuscht wieder zu den Erwachsenen: „Wir haben nichts gefunden.“ Doch dann verharrten sie verblüfft. Da kam doch tatsächlich ein Hase aus dem Wald gehoppelt.
„Der Osterhase“, rief der Kleine enthusiastisch. Der Hase blieb einen Moment stehen, spinste zu uns Zweibeinern rüber, hüpfte über den Weg und verschwand im Unterholz „Nur ein einfacher Hase“ meinten die Großen.
„Wenn es der Osterhase war“, überlegte der Vater, dann müsstet ihr im Wald Ostereier finden.“ Er musste es ja wissen. Bevor die Kinder nun losstürmten, bekamen sie nochmals die Regel für Alleingänge im Wald ans Herz gelegt: „Nie weiter weg laufen, als wie ihr uns hören und sehen könnt.“ Hoffentlich hatte der „Osterhase“ sich auch an diese Vorschrift gehalten. Die Kinder stoben in den Wald und bald drang euphorisches Gejauchze herüber. Sie waren fündig geworden. Als sie ihre Schätze bei den Erwachsenen ausbreiteten, kam so allerhand ans Tageslicht: Bunte Hühnereier, die ein bisschen den Partyeiern glichen, die das ganze Jahr hindurch im Supermarkt angeboten werden, dazu in bunter Folie eingepackte Schokoladeneier, klein, mittel, groß, Schoko-Osterhasen und tatsächlich mehrere Überraschungseier, die stets eine Spielfigur enthalten.

Später zu Hause erzählen die Kinder den Daheimgebliebenen die Geschichte vom Hasenwunder. „Der Osterhase hat uns angelächelt“, beteuert der Kleine. „Ein Hase kann nicht lächeln“ widersprechen die Großen. „Ein Osterhase schon“, verteidigt der Kleine seine Beobachtung und dann schaut er mich hilfesuchend an. Ich überlege nur einen Moment: Ein Hase, der Überraschungseier „legen“ kann, der kann bestimmt auch lächeln. Und mit fester Stimme sage ich: „Ja, er lächelte.“ Und Oma bestätigt: „Hä dät zu os luure und griemelte (Er sah zu uns rüber und lächelte verschmitzt).“
Und jetzt lächeln alle, aber der Kleine strahlt direkt vor Glück. „Er lächelte!“ sagt er immer wieder. „Der Osterhase lächelte!“ Und mit einem Lächeln schläft er später glückselig ein.



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Rezept: Ostereier färben mit Zwiebelschalen

Zutaten: Zwiebelschalen von ca. 20 roten oder gemischten Öllech (Zwiebeln), je nach Eierzahl genügen auch weniger Schalen. 

12 Eier
Essig
Zubereitung: Zwiebelschalen in einen Topf mit kaltem Wasser geben und über Nacht einweichen.
Eier zwei Stunden vor dem Kochvorgang aus dem Kühlschrank nehmen, damit sie Zimmertemperatur annehmen und nicht so leicht platzen.
Eier zu den eingeweichten Zwiebelschalen geben, 2 Esslöffel Essig hinzugeben und zum Kochen bringen (nicht zu stark, Wasser soll nur simmern). Zehn Minuten kochen lassen. 
Sollen die Eier noch dunkler werden, diese nach dem Kochen noch zwei Stunden in der Zwiebelbrühe ziehen lassen.
Zum Verzieren Blütenblätter behutsam aufkleben, Ostersymbole oder Ornamente mit Ostereier-Malstiften aufmalen. Die noch warmen Eier mit einer Speckschwarte oder Öl glänzend reiben.



Es gibt viele Tipps, um das Aufplatzen der Eier zu verhindern, zum Beispiel zusätzlich zu Essig auch Salz ins Kochwasser geben. Oder: Mit Eierpicker unten am dicken  Ende, wo die Luftblase sitzt, ein Loch in die rohen Eier stechen, damit ein Druckausgleich entsteht.

Sophie Lange und Anne Poettgen wünschen ein frohes Osterfest


Freitag, 23. März 2018

Der falsche Heilige


von Sophie Lange
Karl-Josef hat die Angewohnheit, mit seinem Ehering zu spielen, ihn immer wieder rund zu drehen.  Als er das wieder mal will, stutzt er. Und stutzt noch mal. Der Ring ist weg. Das kann doch gar nicht sein. Er trägt ihn immer. Nun überlegt er fieberhaft und ihm fällt ein, dass er heute Morgen seine Hände tüchtig mit der Bürste geschrubbt hat. Hat er da den Ring ausgezogen? Er eilt ins Bad. Doch da ist nichts von einem Ring zu sehen. Da bemerkt er Elisabeth, seine Eheliebste, die mit dem Staubsauger angeschleppt kommt. „Halt, stopp“, schreit er panisch. Und dann gesteht er: „Ich hab' meinen Ring verloren. Bloß nicht saugen!“
Noch ist die Ehefrau ruhig. „Den wirst du im Badezimmer ausgezogen haben.“
„Da habe ich schon geguckt.“
Natürlich genügt es einer Frau nicht, wenn der Mann mal „geguckt“ hat. Und so guckt sie selbst nach, setzt das ganze Badezimmer auf den Kopf, aber nichts.
„Heute Morgen hatte ich ihn noch“, erinnert sich Karl-Josef. Er muss also im Haus sein und ein Haus verliert nichts – das weiß jeder. Jetzt wird es ernst und das ganze Haus wird durchsucht: Schubladen werden durchwühlt, Töpfe und Krüge ausgeschüttet, Ecken ausgeleuchtet, der Schreibtisch aufgeräumt, Couchkissen ausgeschüttelt. Eine Hausdurchsuchung durch die Kripo bei „Verdacht in Verzug“ ist nichts dagegen.
„Da kann nur noch der heilige Antonius helfen“, sind sich beide schließlich einig. Der heilige Tünn, wie er volkstümlich auch genannt wird, hilft immer, wenn man etwas verloren oder verlegt hat, denn er weiß, wo das Verlorene ist. Der Teufel hat es nämlich unter seinem Pferdefuß oder unter der Schwanzquaste versteckt. Und da hat nur ein Heiliger Zugriff. Schließlich findet man durch die Hilfe des Heiligen das verlorene Stück dann dort, wo man schon zigmal „geguckt“ hat.
 Aber zunächst wird der Heilige mit einem Hilferuf angefleht:

O leever Sint Antonius,
du bes ne gode Mann.
Ech han minge Reng verlore;
help du mir widder drann!


Und weiter geht die Sucherei. Doch vergebens.
Nun hilft nur noch eines. „Wir müssen zum „decke Tönnes“ fahren und eine Kerze anzünden.“ Der „decke Tönnes“ ist eine Heiligenfigur in einem Kapellchen bei Bad Münstereifel, mitten im Wald. Dort brennen immer viele Kerzen, und Votivtafeln bescheinigen: „Antonius hat geholfen.“
Schon bald stehen die beiden vor der etwas plump wirkenden Gestalt und zünden eine Kerze an. Ein Mann in Wanderkleidung beobachtet die beiden.
„Ein neues Auto gekauft?“ fragt er leutselig. Die beiden schauen ihn verwirrt an. „Nee, ich haan minge Reng verkrost“, stellt Karl-Josef richtig. „und do soll der decke  Tönnes uns helpe.“
Der Wandersmann lacht schallend. „Da sind sie hier falsch. Hier betet man, wenn man ein neues Auto gekauft hat.“ Nun verstehen die beiden gar nichts mehr. Und der freundliche Herr erklärt oberlehrerhaft, dass es zwei Heilige mit Namen Antonius gibt. Den Antonius von Ägypten und den Antonius von Padua, der Winter-Antonius, mit Festtag am 17. Januar, und der Sommer-Antonius, der am 13. Juni Namenstag feiert. Und der Sommer Antonius, das ist der „Schlampertoni“ der Verlorenes wiederfindet, weil er Abtrünnige bekehrt hat, den Glauben wiederzufinden. Aber der „decke Tönnes“ im Münstereifeler Wald, das ist der Wüsten-Eremit aus Ägypten. Und der hat nichts mit Suchen und Finden zu tun.
„Wieso soll dieser heilige Mann Autos beschützen?“, ist Elisabeth irritiert. „Als Heilige lebten, gab es doch noch gar keine Autos!“ Weibliche Logik.
Da weiß der Mister Oberlehrer auch keine erschöpfende Antwort. „Das hat sich so entwickelt,“ versucht er eine Erklärung. Und dann erzählt er von Schutzheiligen im Allgemeinen und im Besonderen. „Es gibt für alles und für jeden einen speziellen Heiligen. Sogar die Drogendealer haben ihren Schutzpatron, den Jesus Malverde, ein mexikanischer Volksheiliger. Die heilige Barbara wurde längere Zeit hindurch als Schutzpatronin der Prostituierten verehrt. Doch dann hat sie dieses Amt niedergelegt. Sie fürchtete wohl um ihren guten Ruf.“
Karl-Josef hört schon lange nicht mehr zu. Der falsche Heilige! Ihm bricht der kalte Schweiß aus. Er greift in seine Hosentasche, zieht sein Taschentuch raus, putzt hektisch damit über die Stirn.
„Da ist etwas gefallen“, erspäht Elisabeth mit Adleraugen. Karl-Josef sieht zu Boden und dann stößt er einen Schrei aus, der den ganzen riesigen Münstereifeler Wald erzittern lässt. „Dr Reng! Frau! Dr Reng!“
Diese steht starr. Und während der Ehemann den Ring aufhebt, eifrig am Rockärmel poliert und schließlich ehrfurchtsvoll über den Ringfinger streift, faltet die Ehefrau die Hände, kniet sich vor den Heiligen nieder, zündet wieder eine Kerze an und sagt fromm: “Antonius wir danken dir für dieses Wunder.“ Und da zündet sie gleich noch eine weitere Kerze an, für jeden Heiligen eine. Der heilige Antonius hat geholfen  Ob nun der „decke Tönnes“ oder der Schlampertoni, das sollen die Heiligen unter sich ausmachen. Der richtige oder der falsche Heilige, das spielt jetzt keine Rolle mehr.

Dem galanten Heiligenexperten hat es die Sprache verschlagen. Kopfschüttelnd zieht er seines Weges.

Freitag, 16. März 2018

Das zweite Ich

von Anne Pöttgen
Ich wohne im Haus am Kirchberg in einer Zweiraumwohnung plus Küche, Diele, Bad, Balkon. Das reicht für eine Person. Seit einiger Zeit habe ich allerdings das Gefühl, dass da außer mir eine zweite Person wohnt - definitiv eine Frau. Woran ich das merke? Meine Cremes, Tag und Nacht, teuer, sind viel schneller zu Ende als früher. Meinen Föhn benutzt sie auch – gut das ist nicht so schlimm, das kostet nix.  Aber könnte sie ihn nicht gefälligst dahin legen, wo er immer liegt. Ist blöd, wenn ich mit nassen Haaren da stehe und muss den Föhn suchen.
Zuerst habe ich es bemerkt, weil hin und wieder eines meiner Wassergläser verschwunden war. Wer klaut schon Wassergläser bei mir? Hingefallen, zerbrochen – Abfalleimer? Nicht dass ich wüsste. Inzwischen habe ich bereits zum dritten Mal eine Viererserie gekauft, darüber hinaus vier aus buntem Glas, haben mir sehr gut gefallen, nun ist nur noch eins da. Freundinnen, denen ich andeute, dass da was „weggekommen“ ist, lachen und meinen – hingefallen, zerbrochen … siehe oben.
Da ist auch die Sache mit der Schokolade. Gut, hier und da ein Stückchen – geschenkt. Aber ausgerechnet am Wochenende ratzeputz alles weg? Wie finden Sie das?
Ich frage mich natürlich auch, was sie an meinem Schreibtisch zu suchen hat. Was macht sie zum Beispiel mit meinen Kugelschreibern? Verkauft sie die bei E-Bay? Warum trägt sie das angelesene Buch vom Wohnzimmer in die Diele? Manchmal verschleppt sie es auch ins Schlafzimmer – oder umgekehrt. Will sie mich ärgern? Und was soll das mit meinem Kleidern? Plötzlich fehlt eine Bluse. Eine der weißen. Oder die schöne alte blaue Strickjacke? Gefällt sie ihr so gut? Na, soll sie sie haben. Aber dann versteckt sie sie in einer Tasche, die für die Altkleidersammlung gedacht ist.
Auch vor meiner Brieftasche macht sie nicht Halt. Ich habe mir schon überlegt, dass ich sie so austricksen werde, dass ich jeweils nur einen Fünfziger hinein lege statt mehrerer. Dann weiß ich genau, dass sie es war, die …
Das ist alles irgendwie unschön. Wenn sie wenigstens mal spülen würde, den Müll raustragen oder die ausgelesenen Zeitungen entsorgen würde … Aber nein, sie macht sich das Leben leicht.


Freitag, 9. März 2018

Man gönnt sich ja sonst nix


von Sophie Lange

Mariechen hat feste Lebensregeln. Das sind Sprichwörter oder Redensarten, die schon ihre Mutter stets befolgte. Und die hatte sie von ihrer Mutter gehört, die wieder von ihrer Mutter usw. Wer weiß, wie alt manche schon sind.
Die Kinder werden zu stetem Fleiß angehalten: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Oder wie man im Rheinland sagt: „Vun nix kütt nix“. Wer sich ganz der Faulheit verschrieben hat, dem rät man in der Eifel: „Wer fuul es, muss luss sen (Wer faul ist, muss schlau (raffiniert) sein.“ Eine strenge Regel besagt: „Erst die Arbeit, dann das Spiel.“ Also an erster Stelle stehen Schulaufgaben oder die kleinen Pflichten im Haushalt. Aber auch Erwachsene sollten den Spruch befolgen. Auch folgende Anweisung sollte man bis ins Alter beherzigen: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“. Nur im Ausnahmefall gilt: „Besser spät als nie“
„Das kann ich nicht!“ gibt es für Mariechen nicht. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, doziert sie. „Wer wagt, gewinnt.“ Sie weiß zwar „Aller Anfang ist schwer“, aber „Übung macht den Meister.“ Dass jede Arbeit mit doppelter Sorgfalt erledigt werden muss, ist selbstverständlich und „doppelt genäht, hält besser.“
Auch die Ordnung ist wichtig, denn es heißt: „Ordnung ist das halbe Leben“  und „halte Ordnung liebe sie, sie erspart dir Zeit und Müh'“. Wer nichts von Ordnung hält, verballhornt die Regel: „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.“
Altbewährte Sprüche dominieren auch am Mittagstisch: „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.“ Eine Extrawurst hat keine Chance. Dass eine Redensart als Wetterregel bekannt wurde, beruht allerdings auf einem Übersetzungsfehler.  Allerorts bekannt ist die Ermahnung: „Esst die Teller auf(!), dann gibt es morgen schönes Wetter.“ Im niederdeutschen Dialekt heißt es.“...dann gett et morgen wedder wat Goodes.“ Wenn Teller und Töpfe selbst vom Suppenkasper leer sind, gibt es morgen wieder (wedder) etwas Gutes, denn dann wird frisch gekocht. Andernfalls werden die Reste vom Vortag aufgewärmt.
Die Aufforderung, die Teller leer zu essen, müssen auch Gäste in einem Düsseldorfer Restaurant und anderswo befolgen, ansonsten wird ihnen eine „Reste-Strafgebühr“ berechnet. Besonders bei einem Buffet, bei dem man sich unüberlegt den Teller voll schaufelt, will man bewusstes Essen fördern und verhindern, dass Nahrungsmittel entsorgt werden müssen. Schnäppchenjäger können Lebensmittelreste preiswert per App direkt ins Haus bestellen.
Bei kleinen und großen Wehwehchen hat Mariechen ein Trostpflaster parat: „Was von alleine gekommen ist, geht auch von alleine weg.“ Wäre schön, wenn das immer funktioniert. „Die Zeit heilt alle Wunden“, ist ein Hoffnungsschimmer für körperliche und seelische Leiden. Doch man muss schon was tun für die Gesundheit. Ein Rat, der aus England zu uns gekommen ist, sagt: „Ein Apfel am Tag hält den Doktor fern.“ Dabei tut der Apfel es nicht allein, er steht symbolisch für eine gesunde Lebensweise. Fraglich ist, ob folgendes alte Sprichwort heute noch beachtet werden soll: „Fleisch von heute, Brot von gestern, Wein vom Jahr zuvor. Das hält gesund.“ Wenig Trost bringt das Bonmot „Das Alter an sich selbst ist eine Krankheit.“ Darauf kann man ab einem bestimmten Lebensabschnitt nur mit einem Seufzer reagieren. 
Neben allen Pflichten und Arbeiten, sollte man aber auch die Freuden des Lebens nicht vernachlässigen. Wenn Mariechen mal in der Stadt shoppen geht und in einem Café gleich zwei Stück Sahnetorte verputzt, hat sie dafür eine Entschuldigung parat: „Man gönnt sich ja sonst nix.“ Aber natürlich soll man auch den lieben Mitmenschen ihre Freude lassen: „Man muss och jünne künne.“ 

Freitag, 2. März 2018

Das gute alte Tipp-Ex


von Sophie Lange
Bei meinem Beitrag „Ex ist in“ von voriger Woche erinnerte sich eine treue  Seniorenstories-Leserin an etwas, das mir bei dem ganzen Ex-Gedöns nicht eingefallen war. Ich hatte es quasi nicht auf dem Schirm, wie man heute so sagt, verständlich, denn es hat den PC-Bildschirm nie näher kennengelernt. Gemeint ist das gute, alte Tipp-Ex für die Schreibmaschine, das inzwischen längst zu einem ehemaligen Tipp-Ex geworden ist, also zu einem Ex-Tipp-Ex. 
Das kleine Papierstückchen hat viele gute Dienste geleistet und so soll es hier und heute posthum eine Ehrung erfahren. Ältere Sekretärinnen, auch Tippmamsellen tituliert,  erinnern sich sicher noch gut und gerne daran.
Beim Schreiben meines erstes Buches „Küche, Kinder, Kirche“ war es im stetem Dauereinsatz. Allzeit bereit lag es neben der Schreibmaschine. Hatte ich mich vertippt, wurde es vorsichtig zwischen Farbband und Blatt Papier gelegt und schwupps wurde der falsche Buchstabe ausgemerzt und richtig ersetzt.
Sollten aber mehrere Worte oder Satzteile versetzt oder geändert werden, waren die Fähigkeiten des Wunderstreifen überfordert. Dann hieß es: Schreibblatt rausziehen, zerknüllen und ab in den Papierkorb – wenn es auch meistens danebenging. Dann noch mal von vorne anfangen. Eine Sisyphusarbeit! So gesehen, habe ich das Manuskript bestimmt drei-, viermal geschrieben. Heute geht es am PC erheblich einfacher: löschen, ausschneiden oder kopieren, und das richtige Wort an der richtigen Stelle einfügen; alles geht so blitzschnell, dass ich manchmal das Gefühl habe, ich lösche mehr als ich schreibe. Dass dann doch etwas zustande kommt – ein reines Wunder. Trotz all der Mühen vergangener Zeiten betrachte ich die gute, alte Tipp-Ex-Ära mit Wehmut und Melancholie. Es war alles irgendwie geruhsamer, stressfreier.
Wenn auch die Schreibmaschine und damit das Tipp-Ex längst passé sind, in der Schule hat eine Korrekturflüssigkeit neben dem Tintenkiller noch Bedeutung. Dieses flüssige Tipp-Ex hat eine Sekretärin erfunden – wer sonst.
Eine andere treue Leserin erinnerte mich in einem Kommentar an eine andere Bedeutung von Ex. So schrieb sie: Darauf trinken wir einen - auf Ex natürlich.

Na dann Prost auf Tipp-Ex. Und Ex.