Freitag, 26. Januar 2018

Das schöne Händchen, die zweite


von Sophie Lange
Morgens auf dem Schulhof. Die Schüler trudeln ein. Die Jungen begrüßen sich mit high five. Zwei Personen heben dabei jeweils eine Hand (das schöne Händchen), um sie in die erhobene Hand des anderen zu schlagen. So will man Verbundenheit demonstrieren. „Gib 5“ kennen schon die Kleinsten, die noch in den Windeln stecken. Da man das mit rechts macht, lernen die Babies schon früh, welches das schöne Händchen ist. Und sogar Katzen und Hunde geben high five, man  muss sie nur lange genug drangsalieren, dressieren meine ich natürlich. Auch hier besteht man auf das (ein) rechte(s) Pfötchen. 
Wenn der ehemalige Präsident Obama forsch durch die Menge schritt, begrüßte er  jeden einzelnen mit dem „fist pump“, dem Faustcheck. Dabei treffen zwei geballte Fäuste aufeinander, selbstverständlich auch die schönen Händchen. „Das ist hygienischer als ein Handschlag“ war der Präsident sich sicher. Bei uns wird der Faustgruß „Ghettofaust“ genannt. Das Begrüßungsritual soll von Farbigen ausgedacht worden sein, die in einem abgeschlossenen Stadtviertel wohnten, eben in einem Ghetto; daher der Name Ghettofaust. Hierzulande ist der Faustcheck besonders bei der männlichen Jugend beliebt. 
Nach einem Wochenendbesuch in Paris, war die Familie T. sich einig: „Wir begrüßen uns von jetzt an mit Wangenkuss wie die Franzosen.“ Doch so ganz sicher war man sich nicht. Fängt man nun rechts oder links an? Zwei oder drei Küsse? Das schöne Händchen tritt ja nicht in Aktion. Also rechts, links, rechts. Oder doch nur links, rechts. Die Wangenküsse, in Unterhaltungssendungen im Fernsehen bis zum Überdruss geschmatzt, sind meist nur angedeutete Luftküsse, die sich irgendwo im Nirwana in Nichts auflösen. 
Zurück zum Schulhof. Hier begrüßen sich die Schülerinnen mit einer stürmischen Umarmung.  Es sind vor allem die lebenslustigen Teenies - eine fescher als die andere -,  die sich laufend um den Hals fallen und sich dabei gegenseitig - mit dem schönen Händchen - den Rücken tätscheln.  Aber auch Verwandte und gute Freunde tauschen  Umarmungen aus. Die ältere Generation ist nicht so begeistert davon; sie distanziert sich lieber mit dem Handschlag. Wissenschaftlich bewiesen ist, dass der Körperkontakt der Umarmung eine positive Wirkung auf die Gesundheit hat, da er die Bildung gewisser Hormone fördert, den Blutdruck reduziert sowie gegen Depressionen vorbeugt.
Also ganz im Gegensatz zum Handshake, der Bazillenschleuder. Dann lieber die Umarmung. So seid alle herzlich umarmt, wo immer ihr seid. 




Freitag, 19. Januar 2018

Das schöne Händchen, die erste

von Sophie Lange
„Gib der Tante Liesel brav ein Händchen!“ So wurden wir als Kinder aufgefordert, Besucher zu begrüßen. Doch manchmal wollten wir nicht „brav“ sein und versteckten die Hände trotzig hinter den Rücken. Ein strenger Blick der Mutter ließ uns schließlich doch gehorchen. Aber wehe, wenn wir das falsche Händchen vorstreckten. Dann ermahnte die Mutter energisch: „Das schöne Händchen!“ Das schöne Händchen, das ist die rechte Hand.  Dabei ist diese nicht schöner als die linke.

Damals wusste ich noch nicht, dass die rechte Hand bei unsern Ur-ur-ur-(x100) - Ahnen die Kampfhand war. Zeigte man diese offen oder winkte damit, signalisierte man einem Fremden, dass man unbewaffnet war und keinerlei kämpferische Absichten hatte. So geben wir bis heute friedlich die rechte Hand zur Begrüßung und zum Abschied, ausgenommen die Linkshänder und seltsamerweise die Pfadfinder, die sich als Geheimzeichen die Linke reichen. „Die Linke kommt von Herzen“, argumentieren sie. Übrigens soll man auch auf dem stillen Örtchen die Linke benutzen. Diese kommt aber nicht von Herzen.

„Hast du deine Aufgaben gemacht?“ fragt die Mutter ihren Sprössling. „Ja“
„Wirklich?“
„Ich schwöre!“

Kinder und Jugendliche von heute schwören bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. So hebt auch der Sprössling sein schönes Händchen mit den drei ersten gestreckten Finger in die Höhe und beteuert nochmals: „Ich schwöre!“ Dabei nimmt er heimlich seinen linken Arm hinter den Rücken, kreuzt den Zeige- und Mittelfinger des ungezogenen Händchen und schon ist der Schwur aufgehoben. Das gilt allerdings nur im Volksglauben. Welche Hand hat nun mehr Macht? Die Mutter misstraut beiden, dem Schwur und dem Hexenschwur. So nimmt sie das Englischbuch aus dem Tornister. Vokabeln abfragen. „Eben konnte ich sie noch“, beteuert der Sohnemann jammernd. „Ich schwöre.“ Schnell zwei gekreuzte Finger hinter den Rücken. Aber das hilft nun auch nicht mehr.

Mit ausgestreckter Hand tappt Herr L. auf Mariechen, seine alte Bekannte, zu.“Guten Tag, meine Liebe!“ Diese möchte am liebsten wie in Kindertagen die Hände hinter den Rücken verstecken, denn der Herr im hohen Mannesalter hat wie allgemein bekannt einen Handdruck, der in die Knie zwingt. Schraubstockgriff! Hinter einem festen Handdruck vermutet man einen selbstbewussten, willensstarken, kompetenten Mann. Aber der Druck sollte doch erträglich sein. Mariechen reicht zögernd ihre Hand. Da muss sie jetzt durch, ein braves Mädchen von Kindheit an.

Unsere frühere Lehrerin, Fräulein Schmitz, (so ließ sie sich bis zum Lebensende nennen), hatte einen laschen Händedruck, nicht mehr wie ein sanfter Windhauch. Dieser zeugt von Minderwertigkeitsgefühlen sowie unentschlossener Schüchternheit. Sagt man zumindest; bei Fräulein Schmitz war das aber nicht der Fall. Sie war sehr selbstbewusst und konnte sich gegen die dominierende Männerwelt durchsetzen.

Wie der zu starke Power-Handgriff wird auch der sanfte Windhauch-Handgriff vom Empfänger als unangenehm empfunden. Der ideale Handshake liegt – wie bei allen Dingen im Leben - in der goldenen Mitte.

Bummelt man über einen Viehmarkt, so hört man oftmals einen klatschenden Handschlag. Bis heute kann ein solcher Handschlag wie von altersher üblich einen Vertragsabschluss besiegeln, so zum Beispiel beim Pferdekauf. Das ist durchaus rechtens. Gekauft wie gesehen, aber besser doch das Pferdegebiss prüfen.

Beim Militär salutiert man zackig, indem man mit drei Fingern der rechten Hand an die Kopfbedeckung oder die Stirn tippt. Beim Karneval ist es genau umgekehrt. Da  tippen die Finger der linken Hand rechts an die Narrenkappe. Die Linke tritt also in Aktion  -oder sollte es wenigstens –, wie sich aus der historischen Entwicklung des Karnevals ergibt. Doch da halten sich nur wenige dran. Na ja, in der fünften Jahreszeit gilt ja das Motto: Jeder Jeck ist anders. Nicht nur am närrischen Rhein, sondern auch in der jecken Eifel.

Das Hände-geben ist recht ungesund. Hat man gerade gehustet, sich dabei brav das schöne Händchen vor den Mund gehalten, und gibt dann diese Hand dem anderen, so teilt man mit ihm brüderlich die Bazillen. Aber man bekommt dafür auch ein paar Krankheitserreger von dem anderen. Ein sekundenlanges Händeschütteln kann den Bazillentausch noch intensivieren.

Im Alltag wird der Handshake immer mehr durch andere Begrüßungsrituale ersetzt:  Abklatschen, Ghettofaust, Wangenkuss, Umarmung.

Fortsetzung folgt

Freitag, 12. Januar 2018

Wo gibt's denn so was?


von Anne Poettgen
„Ich muss euch eine Geschichte erzählen, ihr werdet es nicht glauben.“ Margret hatte als Letzte am Kaffeetisch Platz genommen und lachte herzlich als Einleitung zu ihrer Geschichte. „Hat mir meine Freundin Irmi eben am Telefon erzählt: Ihr werdet es nicht glauben können.“
Johanna, Susanne und Gerda blickten auf ihren Kuchenteller und sahen dann Margret schweigend an. Die fasste das als Aufforderung auf und erzählte:
„Irmi wohnt ja auch in einer Seniorenresidenz und hat da etwas miterlebt … Irre.“
„Na,  nun erzähl‘ schon“, sagte Gerda.
„Also – Irmis Freundin Gitta hatte neue Nachbarn bekommen.“ Keine Neuigkeit in einer Seniorenresidenz, wo die Nachbarn häufig wechselten, dachten die anderen Drei.
„Gleich in der ersten Nacht wurde sie von einem heftigen Klappern in der Nebenwohnung hochgeschreckt. Sie hatte keine Ahnung, was los war. Auch durch Nachdenken kam sie nicht drauf, aber das Nachdenken verzögerte das Einschlafen gewaltig. Am nächsten Morgen um sieben Uhr – jetzt blickte sie auf die Uhr – klapperte es wieder. Eigentlich schlief diese Gitta gern länger, aber daran war nicht zu denken.
Sie nahm sich die Lagepläne der Wohnungen in der Residenz vor und das Klappern wurde verständlich: Genau neben dem Kopfende ihres Bettes lag das Badezimmer der Nebenwohnung. Womit geklappert wurde, wusste sie natürlich immer noch nicht.“
„Das war aber ärgerlich“, unterbrach Gerda die Schilderung.
„Es kommt noch schlimmer“, fuhr Margret fort. „Der Beginn einer langen Leidensgeschichte. Das Klappern wiederholte sich, mitten in der Nacht und am frühen Morgen. Was tun?“
„Ja, was macht man da? Beschweren“, meinte Johanna und guckte streng.
„Bei den Nachbarn klingeln und sie bitten, mit dem Klappern in der Nacht aufzuhören? Das hätte diese Gitta nie getan. Krach mit Nachbarn  – ein grässlicher Gedanke.  Jeden Tag dachte sie mit Grausen an die kommende Nacht. Dass auch tagsüber Geräusche aus der Nachbarwohnung kamen, das konnte sie ignorieren, sie ging einfach nicht mehr in ihr Schlafzimmer.“
„Wenn mir das passieren würde, ich wüsste nicht, was ich tun sollte“, Gerda seufzte.
„Nun, diese Gitta überlegte, was sie tun könnte: Eine andere Wohnung nehmen – aber der Umzug, in ihrem Alter, über achtzig … Ein Bettcouch kaufen und im Wohnzimmer schlafen? Verdammt teuer, diese Möbel.“
„Außerdem muss man erstmal Platz haben“, meinte die praktisch denkende Margret. „Aber“, fuhr sie fort, „die Couch brachte sie auf eine Idee: Sie würde sich ein Klappbett kaufen und darauf im Wohnzimmer schlafen. Dann hätte sie ihre Nachtruhe und könnte in aller Ruhe überlegen, was sie tun sollte. Das war dann Folgendes: Als erstes machte sie sich auf den Weg zum Büro des Geschäftsführers und legte ihm ihr Problem vor.“
„Und?“, fragte Johanna.
„Erste Antwort: So etwas haben wir noch nie gehabt.“
„Ja, erstmal abwehren, typisch“, Johanna hatte sich schon in Zorn gesteigert.
„Aber diese Gitta blieb hart. Sie müssen dafür sorgen, dass ich in meiner Wohnung die normale Nachtruhe habe – schließlich zahle ich eine üppige Miete. Man versprach ihr, sich zu kümmern – nächste Woche. Das Klappbett wurde geliefert, sie baute es auf, es sah gar nicht so übel aus. Das Klappbett selbst sah gar nicht so übel aus – aber ihr Wohnzimmer … Na, ja, war ja nicht für immer. Gitta richtete sich für ihre erste ruhige Nacht ein: Neben dem Klappbett eine Taschenlampe, der Notruf am Bande, der sonst um ihren Hals baumelte und ihr Kindle. Wie findet ihr das?“
An Kuchenessen war nicht mehr zu denken, das musste kommentiert werden.
Wie die drei anderen Damen das fanden, möchte ich hier lieber nicht wiedergeben. Jedes Statement endete mit den Worten: Das könnte hier im Haus am Kirchberg nicht passieren! 

Freitag, 5. Januar 2018

Die Sterne stehen gut


Morgendliche Zeitungsrunde im Seniorenheim. Die Mitarbeiterin des Hauses, Frau W., hat die Zeitung schon durchgearbeitet und einige Artikel für die Gruppe herausgepickt, die sie vorlesen will und worüber diskutiert werden kann – oder auch nicht. 
Da ist zunächst die große Inland-Politik und die noch größere Weltpolitik. Meinungsverschiedenheiten, Streit, Palaver, Hickhack. Überall dasselbe. Etwas Positives ist nicht dabei. Weiter geht  es mit Krieg, Kämpfen, Terror – auch nicht besser. Dann kommen die Wetter- und andere Katastrophen rund um den Erdball: Erdbeben in Spanien, Hurrikan in Florida, irgendwo in der Tundra sind zwei Züge entgleist. Und dann das noch: In China ist ein Sack Reis umgefallen.
Die Sportseiten überschlägt Frau W. Da hat es schon oft genug Tumult in der Runde gegeben, schlimmer als in den Fußballstadien. Bleibt noch das Wetter, auch nur miese Vorhersagen: Regen, Sturm, Kälte. Zum Schluss der Informationsstunde kommt zur Hebung der Stimmung das Horoskop.
Heute zum Anfang des neuen Jahres hat Frau W. sich etwas Besonderes einfallen lassen. Sie hat in einer Zeitschrift die Jahreshoroskope studiert. Die bringen ellenlange Ausblicke über Liebe und Partnerschaft, Job und Finanzen und anderes. Die Gruppenleiterin hat sich die Mühe gemacht, aus jeder Sternbildprognose einen einzigen Satz auszuwählen.
Widder!“, ruft sie. Ein adipöser rundlicher Widdermann hebt die Hand und darf jetzt seine Jahresbotschaft vernehmen: „In Ihnen tobt in diesem Jahr ein Vulkan an Energie.“ Da strahlt der Widder -  wie Mario Götze nach einem Tortreffer.
Weiter geht es mit dem Stier: „Auf Ihrem Konto liegt immer genügend Geld.“ Das bringt zwei Stiermänner zum Jubeln wie Beinahe-Millionäre bei Günter Jauch.
Bei Zwillinge darf eine flotte Seniorin neugierig sein, denn es heißt dort: „Nach einigen lockeren Flirts wird Ihnen ein Typ über den Weg laufen, von dem Sie definitiv mehr wollen.“ Sie schaut erwartungsvoll wie ein Okapi, das grazile Giraffentier mit den sanften Rehaugen.
Eine Matrone mit dem Sternzeichen Krebs darf sich anhören: „Damit 2018 ein Glücksjahr wird, müssen Sie Ihre Komfortzone verlassen.“ Die alte Dame ist irritiert: „Komfortzone? Sowatt hab ich net. sowatt kenn ich net, sowatt will ich net!“ Trotzdem lächelt sie – verhalten– wie Mutter Beimer von der Lindenstraße.
Eine Löwin und ein Löwe kriegen kurz und bündig die Nachricht: „Ihr Leben wird bunter und aufregender.“ Die beiden schauen sich freudestrahlend in die Augen und grinsen wie ein Honigkuchenpferd im Doppelpack.
Das Sternzeichen Jungfrau ist dran: „Es könnte etwas Großes in Ihr Leben treten.“ Eine Jungfrau mit schneeweißen Haaren strahlt wie Schneewittchen bei dem Erweckungskuss durch den Prinzen. 
Bei Waage ruht still der See. Niemand dabei.
Einer etwas knittrigen Skorpion - Frau wird vorhergesagt: „Sie haben 2018 alle Chancen.“ Zwei hoffnungsvolle Augen leuchten auf wie bei der frisch gekrönten Königin vom Dschungelcamp.
Einer quirligen Schützefrau wird geraten: „Am besten gehen Sie auf Reisen und lassen sich in der Fremde inspirieren.“ Die Frau reibt sich in der Vorfreude schon mal die Hände. Ihr Gesicht ähnelt einem pausbäckigen Engelchen am Weihnachtsbaum.
Nach einem Null-Ergebnis beim Steinbock
gibt es beim Wassermann gleich zwei weibliche und drei männliche Wasserratten: „Sie können geradezu platzen vor Abenteuer“, liest Frau W. vor und schon wird der Raum heller vor lauter Unternehmungsenergie. Die Frauen strahlen wie verzauberte Nixen, die Männer wie Seeräuber nach fetter Beute.
„Als letztes kommen die Fische dran“, verkündet Frau W. „Es geht um die Liebe.“ Da fliegen gleich mehrere Arme in die Höhe. Waren die nicht schon zum Teil vorher dabei? Egal! Alle sollen sich erfreuen an der Hoffnung: „In Liebesdingen dürfen Sie Luftschlösser bauen.“

Frau W. schaut in die Runde. Nur strahlende lachende Gesichter wie lauter lustige Smilies. Was macht es da aus, dass sie die weniger guten Prognosen „geschlabbert“ hat. Hauptsache: Alle sind glücklich und zufrieden.



Liebe Leser und Leserinnen, wenn sie an Horoskope glauben - oder auch nicht, eines ist für 2018 sicher: Die Sterne stehen gut. Was der einzelne daraus macht, liegt allerdings an jedem selbst.

(Ähnlichkeiten mit irgendwelchen Personen in irgendwelchen Gruppen sind rein zufällig - sagt Sophie Lange)