Freitag, 31. August 2018

Ungebetene Gäste


von Sophie Lange


Lilli hat einige Freundinnen zur Kaffeetafel eingeladen. Bei ihr im Garten sind die Pflaumen reif und so hat sie frische Pflaumentorte gebacken. Sommerlich  hat sie den Tisch auf der Terrasse gedeckt und schon bald kommen die ersten Gäste. Doch als die Gastgeberin die ersten Tortenstücke austeilt, stellen sich auch ungebetene Gäste ein: Wespen schwirren in Massen heran. Geschrei der Frauen: „Weg hier! Verschwindet!“
Wild wird mit den Armen durch die Luft gefuchtelt.  Die Frauen wollen den Tierchen ja nicht zu Leibe rücken, sie wollen sie nur vertreiben. Aber so schnell lassen die Wespen sich nicht verjagen, im Gegenteil, sie werden nur aggressiv durch die Panik der Frauen.
Nun hat jede Frau einen guten Rat zur Hand. „Hast du kein überreifes Obst, das du einige Meter entfernt hinstellen kannst?“ Lilli holt eine Schale mit Trauben, die schon bessere Tage gesehen haben und stellt sie auf den Rasen.
Zur Ablenkung können auch eine Scheibe Kochschinken oder Wurst ausgelegt werden. Tatsächlich fallen die Wespen auf dieses Ablenkungsmanöver herein und verlassen den Kaffeetisch. Trauben statt Pflaumen.
Dafür kommen aber neue angeflogen. „Meine Mutter legt immer Kupfermünzen auf den Tisch, das vertreibt die kleinen Plagegeister“, erzählt eine andere. Jetzt kramen alle ihre Geldbörsen hervor. Zuerst müssen die Münzen jedoch kräftig zwischen den Fingern gerieben werden, bevor sie in die Sonne gelegt werden. Groß ist der Erfolg allerdings nicht. Die Wespen kennen wohl den Wert des Geldes und sind auf Kleingeld aus der Portokasse nicht erpicht.
Es kommen weitere Vorschläge: Honig, ein Klecks Marmelade, Zuckerwasser, Lavendel, Teebaumöl, Knoblauchzehen, Zitrone mit Nelken gespickt, Kaffeepulver oder Kaffeebohnen in einem feuerfesten Gerät anzünden, Räucherstäbchen. 
Bei so viel möglichen Kampfmitteln kriegen die fleißigen Insektenvernichter mit der Angst zu tun und so ergreifen sie rechtzeitig die Flucht. Jetzt ist Ruhe am Kaffeetisch und genüsslich kann die Pflaumentorte verputzt werden.



Übrigens:

Menschen lassen sich nicht gerne stechen,
sind aber leicht bestechlich.

(eigene Erkenntnis)

Freitag, 24. August 2018

Wie die Zeit vergeht


von  Sophie Lange

Kaum hat das neue Jahr angefangen, schon ist die erste Jahreshälfte vorbei. Der Sommer hat erst richtig zugeschlagen, schon fallen die ersten bunten Blätter von den Bäumen. Da haben wir gerade erst Weihnachten gefeiert, schon sind wir wieder auf der Jagd nach Geschenken.
„Eins. Zwei, drei! Im Sauseschritt
läuft die Zeit, wir laufen mit.“

So hat Wilhelm Busch es schon 1877 gedichtet und daran hat sich bis heute nichts geändert. Ach du liebe Zeit! Am deutlichsten merken wir an den Kindern, wie die Zeit vergeht. Gefühlsmäßig gestern haben wir sie noch beim Spazierengehen am Händchen gehalten und heute sind sie uns schon über den Kopf gewachsen. Die Zeit enteilt wie im Fluge und das Schlimmste: Im Alter vergeht sie immer rasanter.

So wundern sich über 90 Jährige: Wo sind die letzten Jahrzehnte nur geblieben? Die Stunden, die Tage, die Monate, die Jahre, das ganze Leben? Alles ist nur noch ein Schatten.

Psychologen haben eine Erklärung gefunden: Je weniger Neues wir erleben, desto kürzer erscheint uns später die Zeit. Ist in einem Jahr also nichts Großartiges geschehen, so hat das Gedächtnis auch nichts gespeichert. Das Jahr hat quasi gar nicht stattgefunden.

Alles war irgendwie Routine, Tag für Tag der gleiche Alltagstrott, immer rund im Hamsterrad. Nichts Besonderes, was uns beeindruckt hat. Der Rat der Experten: Stets etwas Neues, Aufregendes beginnen, sich moderne Interessengebiete erschließen, neue Fähigkeiten erlernen, faszinierende Menschen kennenlernen, unbekannte Orte aufsuchen.

Sicher gibt es auch andere Gründe, wenn die Zeit davonfliegt. Wer sehr aktiv ist, aber doch nicht alles schafft, was er sich vorgenommen hat, jammert ebenfalls: Wie die Zeit vergeht.

Als Kind in Glück und Leid
schlich langsam mir die Zeit.
Als Jüngling stolz und kühn
spazierte sie dahin.
Als reifer Mann zuweilen
sah ich sie furchtbar eilen.

(Inschrift auf einer Glocke)

Donnerstag, 16. August 2018

Ein Kräuterstrauß


von Sophie Lange

Seit dem 15. August hängt im Flur ein großer Kräuterstrauß von der Decke, der still vor sich hin trocknet. Dieser Tag ist der katholische Festtag Mariä Himmelfahrt und er ist seit altersher mit dem Brauch verbunden, Kräuter in Feld und Flur zu sammeln, zu einem Strauß zu binden und im Haus aufzubewahren. Dort hält er nach überliefertem Volksglauben alles Unheil fern.

Der Strauß wurde bei unseren  Vorfahren in  der Kirche gesegnet, was heute nur noch selten geschieht. Nicht nur im Haus, sondern auch für Stall und Scheune wurde ein kleines Sträußchen abgetrennt. Der Bauer steckte sogar im Acker ein Ästchen, damit die Frucht reichlich gedieh. Schließlich sollte alles geschützt werden. Bei Gewitter und Unwetter verbrannte man einige der trockenen Pflanzen im Küchenherd und konnte so sicher sein, dass das Gewitter vorüberzog.

 Mit diesem Brauch waren früher viele Auflagen verbunden. So sollten die Kräuter vor Morgengrauen gepflückt werden und eine bestimmte Anzahl enthalten. Vor zirka hundert Jahren war die Zahl auf 77 oder 99 festgesetzt. Heute ist das nicht mehr durchführbar, denn so viele Kräuter wachsen längst nicht mehr in der freien Natur.

Bei einer Erkrankung kochte man von einigen Kräutern einen Tee, dazu musste man sich allerdings in der Kräuterkunde auskennen. Hier einige Hinweise:


Baldrian, - beruhigt bei Prüfungsangst und hilft beim Einschlafen,

Salbei lindert Halsschmerzen, Heiserkeit, aber auch Bauchkrämpfe

Beifuß kann man bei Magen und Darmbeschwerden einsetzen

Kamille und Pfefferminz sind altbewährte Mittel bei Unstimmigkeiten im Magenbereich

Wir fanden sogar eine stolze Königskerze, ein Heilmittel gegen Bronchitis.

Aber auch Küchenkräuter sind Heilkräuter und gehören in den Kräuterstrauß zu Mariä Himmelfahrt. 
So zum Beispiel Petersilie, ein Kraut das seinen Namen von Petrus (Stein/Fels ) und Sellerie hat. Es ist nicht nur ein Zierstrauß auf der Fleischplatte, sondern hilft als Heilmittel bei Blasen- und Nierenbeschwerden. Nach Kneipp ist dieses Küchenkraut sehr bewährt bei Wassersucht und wird bei Wasser in den Beinen empfohlen. Ein einfaches Hausmittel, das in manchem Garten wuchert und sogar im Blumentopf gedeiht.

Die Kinder singen zu Petersilie ein Verslein:
Petersilien Suppenkraut
wächst in unserem Garten,
unser Käthchen ist die Braut,
soll nicht länger warten.
Roter Wein, weißer Wein,morgen soll die Hochzeit sein.


Donnerstag, 9. August 2018

Heiße Luft

von Sophie Lange

Über den ersten heißen Tag freuten wir uns und hofften auf einen schönen Sommer. Doch die Tage wurden heißer und heißer und die Hitzeperiode zog sich hin. Bäume trockneten aus, Kreislauf geschwächte Menschen kippten um, Krankenwagen jagten durch die Stadt.
Und wie eine Gebetsmühle klang es von besorgten Menschen: Viel trinken, viel trinken, nicht in der prallen Sonne aufhalten, im Schatten bleiben. Da macht der Sommer doch keinen Spaß.

Dann sah ich im Fernsehen eine Moderatorin, die sich einen kleinen Handventilator vors Gesicht hielt. Der Wind pustete fröhlich ihre Locken durcheinander. Das war die Lösung. So etwas war genau das Richtige für mich. Am nächsten Morgen machte ich mich auf ins Städtchen, um so einen „Wirbelwind“ zu kaufen. Doch meine Enttäuschung war groß. Überall bekam ich zur Antwort: „Die kleinen Ventilatoren sind ausverkauft.“

Ich bat meine Schwester in der Stadt um Hilfe.
„Das ist hier in der Stadt sicher kein Problem“, meinte sie zuversichtlich. Doch abends musste sie zugeben: „Es ist, als ob ein großes Schild über der Stadt hängt: „Ausverkauft!“.
So quälte ich mich weiter mit der heißen Luft herum. Doch dann fiel mir etwas ein. Vor einigen Jahren hatte ich von einem Spanien-Urlaub einen Fächer mitgebracht, lila, groß, prachtvoll bemalt. Schon bald hatte ich ihn gefunden.

Jetzt sitze ich in einem schattigen Eckchen auf dem Balkon und fächere mir frische Luft zu. Es ist noch immer heiße Luft, aber es hat sich doch etwas abgekühlt.




Freitag, 3. August 2018

Rentner haben nie Zeit


von Sophie Lange

Gedränge an der Kasse eines Supermarktes. Meist ältere Menschen. Rentner. Und das am frühen Morgen. Plötzlich eine energische Stimme aus der Reihe der Wartenden: „Können Sie nicht mal die zweite Kasse aufmachen!“ Die Kassiererin reagiert unwillig und piepst: „Rentner haben nie Zeit!“ Dann grummelt sie etwas in ihr Telefon und dann: „Sie können schon mal an Kasse zwei auflegen.“ Mürrisch! Unfreundlich!
Flink wechseln die meisten von Kasse Eins zur Kasse Zwei und legen ihre Waren auf. Jetzt ist dort eine lange Schlange. Es kommt nur niemand von den Angestellten. Also eilen einige wieder zurück zur Kasse Eins. Geschiebe und Gedränge! Schließlich kommt die zweite Kassiererin. Freundlich und frohgelaunt. Wäre man nur besser an Kasse Zwei geblieben. Da geht es bestimmt jetzt mit Schwung los. Wieder zurück! Zeit ist Geld!
Die meisten frühen Einkäufer haben nur wenige Sachen im Einkaufswagen liegen. Tageseinkäufe oder nur ein Schnelleinkauf für das Frühstück. Nur eine Frau hat den Wagen pickpacke voll geladen. Wocheneinkauf für die Familie. Sie will gerade anfangen, ihre Einkäufe aufs Band zu legen, als von hinten jemand ihren Wagen zurück zieht und sich dann an die Frau vorbei drängelt. „Ich hab' nur ein bisschen!“ Er ist nicht der einzige, der nur „ein bisschen“ hat. Alle schieben sich jetzt vor.

Rentner haben nie Zeit. Eines der ungelösten Rätsel der Menschheit. Eigentlich müssten Ruheständler doch alle Zeit der Welt haben. Aber sie sind stets in Eile und bittet man sie um einen Gefallen, winken sie ab. Keine Zeit!  Ist das nun ein Vorwand oder ein Vorurteil oder ist da etwas Wahres dran?  Für alle trifft das bestimmt nicht zu. Doch nur zu oft kann man ungeduldige ältere Menschen beobachten, nicht nur im Supermarkt, sondern auch im Wartezimmer beim Arzt, im Bus, im Café, im Restaurant. Gepaart ist die Eile mit mürrischem Geschimpfe. Im Ruhe – bzw. im Unruhestand jagen besonders Männer stets der Zeit hinterher. Vergeudete Zeit aufholen! Begrenzte Lebenszeit verlängern und sinnvoll nutzen.
Zurück in den Supermarkt. Endlich ist auch die Frau mit den Wocheneinkäufen durchgeschleust. Auf dem Parkplatz staunt sie jedoch nicht schlecht. Da stehen doch tatsächlich die Rentner, die es vorher so eilig hatten und diskutieren lautstark. Um Fußball geht es, soviel kriegt die gute Frau mit. Jetzt haben die Herren der Schöpfung auf einmal doch Zeit.

Übrigens:
In der Eifel werden Menschen, die es besonders eilig haben  mit dem Satz abgebremst: „Musst Du heut' noch in et Heu?“ Nun ist die Eifel längst nicht mehr so bäuerlich geprägt wie vor Jahrzehnten und nur die wenigsten müssen das Heu vor dem nächsten Regenguss ins Trockene bringen. Aber der Satz hat sich im Volksmund fest etabliert: „Musst du heut' noch in et Heu?“ Eigentlich nicht …