Freitag, 9. März 2018

Man gönnt sich ja sonst nix


von Sophie Lange

Mariechen hat feste Lebensregeln. Das sind Sprichwörter oder Redensarten, die schon ihre Mutter stets befolgte. Und die hatte sie von ihrer Mutter gehört, die wieder von ihrer Mutter usw. Wer weiß, wie alt manche schon sind.
Die Kinder werden zu stetem Fleiß angehalten: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Oder wie man im Rheinland sagt: „Vun nix kütt nix“. Wer sich ganz der Faulheit verschrieben hat, dem rät man in der Eifel: „Wer fuul es, muss luss sen (Wer faul ist, muss schlau (raffiniert) sein.“ Eine strenge Regel besagt: „Erst die Arbeit, dann das Spiel.“ Also an erster Stelle stehen Schulaufgaben oder die kleinen Pflichten im Haushalt. Aber auch Erwachsene sollten den Spruch befolgen. Auch folgende Anweisung sollte man bis ins Alter beherzigen: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“. Nur im Ausnahmefall gilt: „Besser spät als nie“
„Das kann ich nicht!“ gibt es für Mariechen nicht. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, doziert sie. „Wer wagt, gewinnt.“ Sie weiß zwar „Aller Anfang ist schwer“, aber „Übung macht den Meister.“ Dass jede Arbeit mit doppelter Sorgfalt erledigt werden muss, ist selbstverständlich und „doppelt genäht, hält besser.“
Auch die Ordnung ist wichtig, denn es heißt: „Ordnung ist das halbe Leben“  und „halte Ordnung liebe sie, sie erspart dir Zeit und Müh'“. Wer nichts von Ordnung hält, verballhornt die Regel: „Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen.“
Altbewährte Sprüche dominieren auch am Mittagstisch: „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.“ Eine Extrawurst hat keine Chance. Dass eine Redensart als Wetterregel bekannt wurde, beruht allerdings auf einem Übersetzungsfehler.  Allerorts bekannt ist die Ermahnung: „Esst die Teller auf(!), dann gibt es morgen schönes Wetter.“ Im niederdeutschen Dialekt heißt es.“...dann gett et morgen wedder wat Goodes.“ Wenn Teller und Töpfe selbst vom Suppenkasper leer sind, gibt es morgen wieder (wedder) etwas Gutes, denn dann wird frisch gekocht. Andernfalls werden die Reste vom Vortag aufgewärmt.
Die Aufforderung, die Teller leer zu essen, müssen auch Gäste in einem Düsseldorfer Restaurant und anderswo befolgen, ansonsten wird ihnen eine „Reste-Strafgebühr“ berechnet. Besonders bei einem Buffet, bei dem man sich unüberlegt den Teller voll schaufelt, will man bewusstes Essen fördern und verhindern, dass Nahrungsmittel entsorgt werden müssen. Schnäppchenjäger können Lebensmittelreste preiswert per App direkt ins Haus bestellen.
Bei kleinen und großen Wehwehchen hat Mariechen ein Trostpflaster parat: „Was von alleine gekommen ist, geht auch von alleine weg.“ Wäre schön, wenn das immer funktioniert. „Die Zeit heilt alle Wunden“, ist ein Hoffnungsschimmer für körperliche und seelische Leiden. Doch man muss schon was tun für die Gesundheit. Ein Rat, der aus England zu uns gekommen ist, sagt: „Ein Apfel am Tag hält den Doktor fern.“ Dabei tut der Apfel es nicht allein, er steht symbolisch für eine gesunde Lebensweise. Fraglich ist, ob folgendes alte Sprichwort heute noch beachtet werden soll: „Fleisch von heute, Brot von gestern, Wein vom Jahr zuvor. Das hält gesund.“ Wenig Trost bringt das Bonmot „Das Alter an sich selbst ist eine Krankheit.“ Darauf kann man ab einem bestimmten Lebensabschnitt nur mit einem Seufzer reagieren. 
Neben allen Pflichten und Arbeiten, sollte man aber auch die Freuden des Lebens nicht vernachlässigen. Wenn Mariechen mal in der Stadt shoppen geht und in einem Café gleich zwei Stück Sahnetorte verputzt, hat sie dafür eine Entschuldigung parat: „Man gönnt sich ja sonst nix.“ Aber natürlich soll man auch den lieben Mitmenschen ihre Freude lassen: „Man muss och jünne künne.“ 

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