von
Sophie Lange
Im Frühling wird die Menschheit, besonders der weibliche
Teil, von einem ruhelosen Putzwahn erfasst. Alles wird gewienert, geputzt und
gefegt. Warum? Da ist die Antwort ganz klar: Das haben wir immer so gemacht.
Schon Eva hat vor Frühlingserwachen voller Eifer die Wege im Paradies gefegt
und die Baumstämme abgeschrubbt. Im alten Ägypten wurden in einer Großaktion
die Pyramiden per Staubwedel abgestaubt und das schwarze Meer wurde dank Persil
blütenweiß gewaschen.
Auch die Kleidung wird aufgeschönt. Das haben wir immer so
gemacht. Alle wollen wie aus dem Ei gepellt aussehen. Die englische Queen
verziert ihre Prachthüte mit taufrischen Plastikblumen und „os Angela“ bringt
ihre farbenfrohen Blazer mit Bundeswehr-Unimogs in die Reinigung. Und überall
leuchtet es, so zum Beispiel in blau-weiß, eine Kombination, die Mohamed (war
ein Prophet) höchstpersönlich ausgesucht hat. So wurde es vor Jahrzehnten
zumindest auf einigen Fußballplätzen lauthals geschmettert.
Wer erinnert sich noch daran, dass in Städten und Dörfern die
Oberbetten und Decken in die Fenster gelegt wurden, um sie aufzufrischen und
den Kohlenstaub aufzusaugen? Heute macht man das nicht mehr, wegen des
Feinstaubs, der im Gegensatz zu Kohlenstaub richtig ungesund ist. In der guten
alten Zeit wurden die Teppiche nach draußen auf den Rasen geschleppt und mit
Rattan-Teppichklopfer so lange bearbeitet, bis sich kein Stäubchen mehr zeigte.
Diese robusten Klopfer wurden in kinderreichen Familien auch schon mal als
Erziehungsmittel eingesetzt. Raue Sitten, für die es nur eine einzige
Entschuldigung gab: Das haben wir immer so gemacht.
Dann der Endspurt: „Auf die Bäume ihr Affen, der Wald wird
gefegt!“ Blitzblank muss alles sein, was soll denn sonst der Osterhase denken,
wenn es im grünen Forst aussieht wie bei Hempels unterm Sofa. Dieser Tage kam
ein Aufruf bei Facebook: Osterhase sucht ehrenamtliche Helfer bei Nester bauen,
Eier färben, verstecken, suchen und finden. Hausfrauen stehen kurz vor dem
Zusammenbruch, beginnt doch jetzt erst der wahre Hausputz: Schränke und
Schubladen aufräumen, polieren, Türen abwischen, Fenster putzen, Vorhänge
waschen usw. usw. Tag und Nacht ist die Damenwelt im Einsatz, während die
Männer in die Wüste flüchten oder sonst wohin, auf jeden Fall ganz weit weg:
Das haben die immer so gemacht.
Endlich ist der Ostersonntagmorgen da - mit österlichem Frühstückstisch, bunt
bemalten Ostereiern und allem was dazu gehört. Doch vor dem Essen kommt das
Eierdippen oder auch Eierkippen genannt. Dazu nimmt jeder ein Ei in die Hand,
ein Osterei natürlich, und dann wird gestoßen, Spitze gegen Spitze oder Kuppe
gegen Kuppe (Spitz op Spitz, Bol op Bol). Sieger ist derjenige, dessen Ei seine
harte Schale bewahrt hat. Er bekommt als Lohn das zerdepperte Ei seines
Gegners. Hat der Gewinner mehrere „geblötschte“ Eier erspielt, ist der
Eiersalat für das Abendmahl gesichert. Und sollte eines der Kinder fragen:
Warum macht man so 'nen Hokuspokus? So ist die Antwort wohl klar: Das haben wir
immer so gemacht.
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