Freitag, 5. April 2019

Das haben wir immer so gemacht


von Sophie Lange

Im Frühling wird die Menschheit, besonders der weibliche Teil, von einem ruhelosen Putzwahn erfasst. Alles wird gewienert, geputzt und gefegt. Warum? Da ist die Antwort ganz klar: Das haben wir immer so gemacht. Schon Eva hat vor Frühlingserwachen voller Eifer die Wege im Paradies gefegt und die Baumstämme abgeschrubbt. Im alten Ägypten wurden in einer Großaktion die Pyramiden per Staubwedel abgestaubt und das schwarze Meer wurde dank Persil blütenweiß gewaschen.

Auch die Kleidung wird aufgeschönt. Das haben wir immer so gemacht. Alle wollen wie aus dem Ei gepellt aussehen. Die englische Queen verziert ihre Prachthüte mit taufrischen Plastikblumen und „os Angela“ bringt ihre farbenfrohen Blazer mit Bundeswehr-Unimogs in die Reinigung. Und überall leuchtet es, so zum Beispiel in blau-weiß, eine Kombination, die Mohamed (war ein Prophet) höchstpersönlich ausgesucht hat. So wurde es vor Jahrzehnten zumindest auf einigen Fußballplätzen lauthals geschmettert.

Wer erinnert sich noch daran, dass in Städten und Dörfern die Oberbetten und Decken in die Fenster gelegt wurden, um sie aufzufrischen und den Kohlenstaub aufzusaugen? Heute macht man das nicht mehr, wegen des Feinstaubs, der im Gegensatz zu Kohlenstaub richtig ungesund ist. In der guten alten Zeit wurden die Teppiche nach draußen auf den Rasen geschleppt und mit Rattan-Teppichklopfer so lange bearbeitet, bis sich kein Stäubchen mehr zeigte. Diese robusten Klopfer wurden in kinderreichen Familien auch schon mal als Erziehungsmittel eingesetzt. Raue Sitten, für die es nur eine einzige Entschuldigung gab: Das haben wir immer so gemacht.

Dann der Endspurt: „Auf die Bäume ihr Affen, der Wald wird gefegt!“ Blitzblank muss alles sein, was soll denn sonst der Osterhase denken, wenn es im grünen Forst aussieht wie bei Hempels unterm Sofa. Dieser Tage kam ein Aufruf bei Facebook: Osterhase sucht ehrenamtliche Helfer bei Nester bauen, Eier färben, verstecken, suchen und finden. Hausfrauen stehen kurz vor dem Zusammenbruch, beginnt doch jetzt erst der wahre Hausputz: Schränke und Schubladen aufräumen, polieren, Türen abwischen, Fenster putzen, Vorhänge waschen usw. usw. Tag und Nacht ist die Damenwelt im Einsatz, während die Männer in die Wüste flüchten oder sonst wohin, auf jeden Fall ganz weit weg: Das haben die immer so gemacht.

Endlich ist der Ostersonntagmorgen da  - mit österlichem Frühstückstisch, bunt bemalten Ostereiern und allem was dazu gehört. Doch vor dem Essen kommt das Eierdippen oder auch Eierkippen genannt. Dazu nimmt jeder ein Ei in die Hand, ein Osterei natürlich, und dann wird gestoßen, Spitze gegen Spitze oder Kuppe gegen Kuppe (Spitz op Spitz, Bol op Bol). Sieger ist derjenige, dessen Ei seine harte Schale bewahrt hat. Er bekommt als Lohn das zerdepperte Ei seines Gegners. Hat der Gewinner mehrere „geblötschte“ Eier erspielt, ist der Eiersalat für das Abendmahl gesichert. Und sollte eines der Kinder fragen: Warum macht man so 'nen Hokuspokus? So ist die Antwort wohl klar: Das haben wir immer so gemacht.




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