Montag, 4. Dezember 2017

Nikolaus und Hans Muff


Eine Geschichte, die uns Sophie Lange aus der Eifel erzählt


Horrorszene in der Kinderzeit vor 50, 60 Jahren und mehr. Ein dunkler Abend Anfang Dezember.  Der Vater arbeitet noch mit einer Stalllaterne im Stall, in der Scheune oder wer weiß wo. Der Rest der Familie hockt in der heimelig warmen Küche. Das Türchen an der Feuerstelle ist geöffnet und die Glut spendet Licht und Wärme. Die Mutter flickt Kinderhosen, die Oma strickt irgendetwas Langes, vielleicht einen Schal. Opa pafft an der Pfeife - ist auch wichtig. Und die Kinder? Es gibt kein Laptop, kein Smartphone, kein Wii, keine Playstation – nichts. Womit haben Kinder sich früher nur beschäftigt? 

Plötzlich lautes Gerumpel vor der Tür.
 Hohoho!
Der Nikolaus ist da.
Schon öffnet sich die Tür und da steht er: groß, mächtig, würdevoll - mit Bischofsgewand, Mitra und  Bischofsstab. Das Gesicht versteckt hinter einem fülligen langen weißen Bart. Vor sich hält er ein dickes, rotes Buch, das Sündenregister der Kinder.  Hinter ihm eine finstere Gestalt, pechschwarz von Kopf bis Fuß: Der Hans Muff oder auch Knecht Ruprecht genannt. Rostige Eisenketten baumeln über seine Schultern und damit rasselt der Kinderschreck scheppernd. In der rechten Hand hält er einen knorrigen Knüppel; mit einem grummeligen Brummen droht er damit den Kindern Doch das Schrecklichste ist ein Sack auf seinem Rücken und daraus baumelt – die Kinder schaudern – ein Kinderbein. Jedes Kind hat es im Lauf der letzten Monate immer wieder zu hören gekriegt: Wenn du nicht brav bist, steckt Hans Muff dich in den Sack. Angstvoll flüchtet die Schar hinter die Mutter. Wer hat nichts auf dem Kerbholz!

Nur der kleine Karl bleibt todesmutig vor dem heiligen Mann stehen. Er hat vorgesorgt. Er ist clever. Er hat ein Taschenmesser organisiert und in die Hosentasche gesteckt. Jetzt soll der Hans Muff  ihn ruhig in den Sack stecken. Messer raus – ratsch – raus aus dem Sack und weg über alle Berge.

Der Nikolaus winkt Karlchen heran: „Jetzt will ich mal gucken, was alles in meinem Himmelsbuch über dich steht. Hier ist es schon: Dem Schaukelpferd die Mähne abgeschnitten, Mariechen an den Zöpfen gezogen, eine Fensterscheibe im Nachbarhaus eingeworfen – mann-mann-mann – da kommt allerhand zusammen. Hans Muff, pack' ihn! Steck' ihn in den Sack, aber“ – er winkt den Kleinen noch näher ran – „zuerst rückst du mal das Messer raus.“

Der Junge ist starr vor Schreck. Woher weiß der Nikolaus das? Stimmt es wirklich, was die Mutter immer sagt: Der heilige Mann sieht alles. Alles! Zaghaft trennt er sich von seiner letzten Hoffnung.

„Nicht in den Sack“, bettelt der Kleine mit bebender Stimme. „Egal, was ich Böses getan habe, ich tue es nie mehr.“
Der Nikolaus schaut ihn ernst an. „Dann sprich mal ein Gebet, dann will ich es mir noch überlegen.“
Karlchen faltet fromm die Hände: „Ich bin klein, mein Herz ist rein ...“ Doch dann weiß er nicht weiter. Jetzt ist alles aus. Doch da sind plötzlich seine Geschwister neben ihm und gemeinsam sprechen sie das Gebet zu Ende: “... soll niemand darin wohnen als Jesukindchen allein.“
Der Nikolaus ist sichtlich gerührt. Immer wieder hört er, dass sich Geschwister wie die Kesselflicker zanken, doch wenn eines von ihnen in Bedrängnis gerät, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel, eine eingeschworene Gemeinschaft. Karlchen ist gerettet.

Der Nikolaus verteilt noch Äpfel und dann brechen der Himmelsbote und sein Knecht wieder auf.  Besonders der kleine Karl erhält noch eine eindringliche Ermahnung. Der Sack droht auch im nächsten Jahr.

Etwas später kommt der Vater ins Haus. Die Kinder berichten ihm aufgeregt: „Der Nikolaus war da.“
Der Vater ist überrascht: „Nää nää!? Da habe ich den schon wieder verpasst. Jedes Jahr dasselbe.“ Und geduldig hört er sich an, was die Kinder erzählen. Doch bald schickt die Mutter die Bande ins Bett. Polternd geht es die Treppe hoch. Karlchen jagt Mariechen und als er sie erreicht hat, zieht er sie an den Zöpfen.  Mit Schmackes! ‚
Das Mädchen schreit gellend auf: „Au! Aua! Du kommst in den Sack!“ Aber das kann Karlchen heute nicht mehr schrecken. Bis zum nächsten Jahr ist noch lang her. 

1 Kommentar:

  1. Darin sollen drei kleine Zitate aus der beliebten Eifelserie "Mord mit Aussicht" zu finden sein. Ich habe sie erst mit Nachhilfe gefunden.

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