Donnerstag, 6. September 2018

Gassigehen im Mondenschein

von Sophie Lange

Ich wälzte mich von der rechten Seite auf die linke Seite, von der linken Seite auf die rechte. Ich konnte einfach nicht schlafen. Kein Wunder! Es war ja Vollmond! Schließlich stand ich auf und im gleichen Moment sprang meine kleine Töle aus ihrem Körbchen. „Gassi gehen?“, fragte ihr Blick.
„Es ist mitten in der Nacht“, klärte ich auf. Töles Blick: „Na und?“ Und schon holte die Hündin die Leine herbei. Gut erzogen die Kleine. Ich seufzte: „Na gut. Eine Runde um den Block.“ Ich zog meinen alten Trainingsanzug über den Schlafanzug an, schlüpfte in die Gartenstiefel, die im Flur standen, nahm den Haustürschlüssel vom Schlüsselbrett und schon waren wir draußen. Der Mond warf sein fahles Licht auf die Straßen. Kein Mensch weit und breit zu sehen. Ich ließ Töle von der Leine.
„Bleib bei Fuß“, ermahnte ich sie streng. Sie gehorchte, eine Minute lang, dann düste sie ab. Na ja, sie kannte sich ja hier vom täglichen Gassigehen aus.

Ich ging sinnend durch die Nacht, durchschritt den Park, kam in eine Siedlung. Hier war ich mein Lebtag noch nicht gewesen. Ich ging weiter, pfiff nach Töle. Nichts von ihr zu sehen oder zu hören. Schließlich kam ich an einen kleinen Pfad, der zwischen zwei Häuserreihen führte. „Heckenpfad“ nannten wir das. Auf einem Pappkarton stand in Kinderschrift geschrieben: „Hundegässchen!“ Das hatte Töle sicher auch gelesen und so betrat ich das Gässchen, um mein liebes Hündchen bald zu finden. Die Gasse wurde immer enger, die Hecken immer höher, das Mondlicht immer trüber. Von meinem Hund keine Spur.

Schließlich kam ich auf ein Plateau; kein Baum, kein Strauch, alles kahl. Hier war ich ebenfalls noch nie gewesen und doch kannte ich den Platz. Und dann wusste ich durch einen Geistesblitz plötzlich, was das war: Ein UFO-Landeplatz! Genauso hatte er im Fernsehen ausgesehen, irgendwo in irgendeiner Wüste. Würde jetzt mein lang gehegter Wunsch erfüllt werden: Entführung durch Aliens in einem UFO und ich würde weltberühmt werden, universum-berühmt. Ich sah schon die Eilmeldung: Entführung durch UFO. Und tatsächlich, da schwebte ein dreieckiges Flugobjekt heran und ließ sich ganz in meiner Nähe nieder.

Zwei Gestalten stürzten heraus, keine grüne Männchen, sondern attraktive Männer in weißen Anzügen. Hätte ich mich nur ein bisschen „staats gemaat“ (chic gekleidet)!

„Wollen Sie mitfahren?“ fragten sie mich.
„Ja, aber ich will entführt werden“, erklärte ich. Die Männer lachten, packten mich und schleppten mich in das Gefährt. Kaum war eine große Tür geschlossen, schon ging es mit einem Affenzahn in die Höhe. Ich starrte durch ein Panoramafenster nach draußen, warf der Erde tief unter uns ein Abschiedsküsschen zu und grüßte wie Queen Elizabeth den Vollmond im Vorbeifliegen. Schon landete das UFO, und wir stiegen aus. Ein Plateau ganz ähnlich wie der Startplatz. Auf der Plattform kam uns ein hoheitsvoller Außerirdischer mit Glubschaugen entgegen, begleitet von einem Riesenköter, ebenfalls mit Glubschaugen. 

Da lief es mir vor Schreck eiskalt den Rücken runter. „Oh Gott, oh Gott! Töle; ich habe meine Töle auf der Erde zurückgelassen.“  Der Glubschaugenköter knurrte mich an: „Hund vergessen! Das geht doch gar nicht“, verstand ich. Ich weiß zwar nicht, wie es passierte, doch plötzlich gab Köter mir einen Schubs und ich sauste hinab zur Erde. Es ging schneller hinunter als eben hinauf. Ich grüßte wieder den Mond - den mein Absturz ziemlich irritierte - und bald schon näherte ich mich der Erde. Jetzt musste der Aufprall kommen. Und er kam. Aber nicht hart, sondern weich und federnd. Ein frischer, blumiger Kräuterduft kitzelte meine Nase. Mein Lavendelkissen! Ich war direkt in meinem Bett gelandet. Ein Seufzer der Erleichterung entwich meiner Brust. Ein Gähnen antwortete aus dem Hundekorb. Alles war gut. Jetzt konnte ich schlafen, tief und traumlos.



Übrigens:

Meine liebe Töle verschlief den ganzen nächsten Tag. Kein Wunder, nach so einer turbulenten Vollmondnacht. Es ist mir allerdings ein Rätsel, wie sie nach Hause gefunden hat und wer ihr die Tür geöffnet hat.

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