von Sophie
Lange
In den Seniorengruppen ist das Ergänzen von Sprichwörtern
beliebt. Zuerst kommt die Gruppe
allerdings nur langsam in Fahrt: „Aller Anfang ist schwer.“ Aber wenn sie sich
einmal warmgelaufen haben, dann läuft es. Die Gruppenleiterin fängt an mit dem
Glück. „Glück im Spiel …“ Alle ergänzen im Chor: „Pech in der Liebe.“ Was immer
das bedeuten mag.
Martha darf jetzt das nächste Sprichwort beginnen und führt
zu: „Glück und Glas wie leicht bricht das.“ Doch Manfred tröstet sie: 'Das
Glück ist mit die Doofen.' Wenn dich das Glück meidet, gehörst du also nicht zu
„die Doofen.“ Und doch: „Jeder ist seines Glückes Schmied“ und hat sein eigenes
Leben in der Hand. Viele Sprichwörter sind aus Lebenserfahrung entstanden und
zu Lebensweisheiten geworden. Und so geht es weiter. Jeder weiß etwas. Alle
sind überrascht, wie viele Sprichwörter sie kennen. Im Durchschnitt sind jedem
Erwachsenen 300 Sprüche geläufig, hat man festgestellt. Kinder kommen immerhin
auf 100 Stück.
In manchen Familien wurden die Kinder früher regelrecht mit
Sprichwörtern erzogen. Immer fleißig sein, mussten die lieben Kleinen: „Ohne
Fleiß kein Preis“ „Erst die Arbeit, dann das Spiel!“ „Ohne Arbeit kein Essen.“
Und überhaupt: „Arbeit macht das Leben süß.“ Doch da kommt ein Einwand
„Faulheit stärkt die Glieder!“ Ist auch nicht zu verachten. Verpflichtungen
soll man sofort erledigen: „Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen
Leute.“ Die Fleißigen und Klugen haben nicht immer den meisten Erfolg: „Die
dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffel“, weiß man in der Gruppe. Trotzdem
werden die Kinder ermahnt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Und auch der Lehrer weiß: „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir.“
„Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“,
werden die Kleinen zur Sparsamkeit ermahnt. Wie wichtig Ehrlichkeit ist, sagen
gleich mehrere Sprichwörter: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er
doch die Wahrheit spricht.“ „Lügen haben kurze Beine.“ „Ehrlich währt am
längsten.“ Pünktlichkeit wird so erklärt: „Fünf Minuten vor der Zeit ist des
Soldaten Pünktlichkeit.“ „Ein bisschen zu spät ist viel zu spät.“ „Besser spät
als nie!“ Und „Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige.“
Nicht nur Kinder auch Erwachsene werden durch Sprichwörter
zurechtgewiesen. Bescheidenheit ist eine Tugend, die jung und alt beherzigen
sollen: „Bescheidenheit ist eine Zier.“ Doch die Erfahrung im harten
Lebenskampf hat wohl die allgemein bekannte Ergänzung gebracht „ … doch weiter
kommt man ohne ihr.“ Aber immerhin: „Besser den Spatz in der Hand als die Taube
auf dem Dach.“ Wer oft über andere tratscht, muss sich sagen lassen: „Ein jeder
kehr' vor seiner Tür, es liegt genug Dreck dafür.“ Ordnung ist das halbe Leben:
„Halte Ordnung liebe sie, sie erspart dir Zeit und Müh'.“ Das ließe sich jetzt
laufend fortsetzen, denn es gibt einige Tausend deutsche Sprichwörter. Der
Bonner Dichter und Philologe Karl Simrock (1802-1876) hat einmal gesagt: „Alle
Sprichwörter aufzuschreiben ist so wenig möglich, wie die Sterne zu zählen.“
Pünktlich ist die Seniorenstunde zu Ende. „Alles hat ein
Ende, nur die Wurst hat zwei.“ Doch jetzt heißt es nur noch im Chor:
„Ende
gut, alles gut!“