von Sophie Lange
Mir fällt folgende Geschichte ein. Wir Mädchen hatten uns
lange Hosen gekauft, was damals noch nicht in Mode war. Stolz trugen wir diese
wie Models. Die Erwachsenen waren entsetzt: „Ihr seid doch Mädchen und keine
Jungs. Was sollen denn die Leute sagen! Ausziehen! Aber dalli!“ Nun war es uns
eigentlich piepschnurzegal, was die Leute sagten, aber brav gehorchten wir -
nach außen hin. Die Hosen wurden trotzdem angezogen – allerdings nur heimlich.
In der Schule – eine Mädchen-Klosterschule - war es streng
verboten, mit einer Männerhose das Schulgelände zu betreten. So war jeden
Morgen dasselbe Schauspiel zu beobachten. Vor dem Schultor holten wir aus
unseren Schultaschen einen langen Rock und zogen diesen über die Hose an, mit
der wir uns frühmorgens aus dem Haus geschlichen hatten. Nach Schulschluss dann
das Ganze umgekehrt. Modern behost schritten wir dann durchs Städtchen zum
Bahnhof, von dem aus wir nach Hause fuhren.
Das Problem „Was sollen denn die Leute sagen“ ist nicht neu.
Bereits in dem Volkslied „Horch was kommt von draußen rein“ aus dem 19.
Jahrhundert findet es Erwähnung. Da heißt es in der zweiten Strophe:
Leute haben oft gesagt,
was ich für ein Liebchen hab!
Lass sie reden, schweige still,
kann ja lieben, wen ich will.
was ich für ein Liebchen hab!
Lass sie reden, schweige still,
kann ja lieben, wen ich will.
Hier erfahren wir die Lösung, um den Ärger nicht in uns rein
zu fressen: Lass sie reden! Einfach reden lassen, die lieben Leute, und sich
nicht darum kümmern.
Zum Glück wissen meine lieben Mitmenschen nicht, was ich als „Leute“ von ihnen denke, nämlich: „Ihr habt doch alle ene Ratsch im Kappes.“ (wörtliche Übersetzung: Riss im Kohlkopf; frei übersetzt: Sprung in der Schüssel oder nicht alle Latten am Zaun oder nicht alle Tassen im Schrank haben.)
In meiner Kindheit und Jugend interessierte in unserer Familie kaum jemand, was die Leute sagten. Vielleicht lag es daran, dass wir nur "Zugezogene" waren und/oder an der schon damals toleranten Einstellung meiner Eltern. Ich hoffe, ich habe auch meine Kinder davon verschont habe. Dass das Thema in der heutigen Zeit trotzdem noch topaktuell ist, zeigt sich in dem Lied "Lasse redn" von der Pop-Rock-Band "Die Ärzte", die nicht nur das Problem in seinen heutigen Facetten beschreibt, sondern auch Ursachen dafür nennt und Ratschläge zum Umgang damit gibt:
AntwortenLöschenLass die Leute reden und hör ihnen nicht zu!
Die meisten Leute haben ja nichts Besseres zu tun.
Lass die Leute reden bei Tag und auch bei Nacht.
Lass die Leute reden, das haben die immer schon gemacht.
Lass die Leute reden und hör einfach nicht hin,
sie meisten Leute haben ja gar nichts Böses im Sinn.
Es ist ihr eintöniges Leben, was sie quält,
und der Tag wird interessanter, wenn man Märchen erzählt.
Lass die Leute reden und lächle einfach mit ...
bleib höflich und sag nichts, das ärgert sie am meisten.
Lieber Leselux, vielen Dank. Das ist ja sehr interessant, dass das Thema heute noch aktuell ist. Das hatte ich mal wieder gar nicht auf dem Schirm. Zum Glück gibt es jüngere Leute, die so etwas wissen.
AntwortenLöschenEine treue Leserin der Seniorenstories erinnerte sich bei dieser Geschichte an den Spruch: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich völlig ungeniert!
AntwortenLöschenBei uns hieß es schlicht und ergreifend: "Sooo gehst Du mir nicht aus dem Haus, wir sind ja schließlich keine Hottentotten!"
AntwortenLöschenGibt es die "Hottentotten" eigentlich noch im Sprachgebrauch? Keine Ahnung, habe es nie wieder gehört.
Ab und zu wurden auch mal die "Zigeuner" als Vergleich genommen und am schlimmsten fand ich schon damals den Vergleich mit "denen von Drüben", das waren die nach dem 2. Weltkrieg geflüchteten Menschen aus den Ostgebieten.
Liebe Gitta, zum Glück können wir heute selbst entscheiden, was wir anziehen, was wir tun, was wir wollen.
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