von Sophie Lange
Im November, dem Toten-
und Trauermonat, führt so mancher Gang zum Friedhof, um die frisch geschmückten
Gräber von lieben Verstorbenen zu besuchen. Und das oft bei eisiger Kälte. Da
wird so manche Erinnerung geweckt.
In den Dörfern war es üblich, dass praktisch das ganze Dorf
einem verstorbenen Dorfbewohner „die letzte Ehre gab“. Da waren auch wir Kinder
nicht ausgeschlossen. Ich hatte immer Sorge, dass ich auf dem Friedhof zu weinen
anfing. Das wollte ich nicht. So biss ich mir auf die Lippen und dachte mir
lustige Geschichten aus. Aber irgendwann passierte es dann doch.
Wenn der Verstorbene
Mitglied in einem Verein war – und das war praktisch jeder -, spielte die
Musikkapelle am offenen Grab die Melodie vom guten Kameraden Das Soldatenlied gehörte zum Repertoire
meines Vaters, und so konnte ich den Text leise mitsingen:
Ich hatt' einen Kameraden,
einen besseren find'st du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
wir gingen Seit an Seite
im gleichen Schritt und Tritt.
einen besseren find'st du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
wir gingen Seit an Seite
im gleichen Schritt und Tritt.
Bei der zweiten Strophe
hatte ich ein genaues Bild vor Augen. Vielleicht hatte ich es mal in einem
Kriegsfilm oder in einem Buch gesehen. Und spätestens jetzt flossen die Tränen.
Eine Kugel kam geflogen,
gilt sie mir oder gilt sie dir.
Ihn hat sie umgerissen,
er liegt zu meinen Füßen,
als wär's ein Stück von mir.
gilt sie mir oder gilt sie dir.
Ihn hat sie umgerissen,
er liegt zu meinen Füßen,
als wär's ein Stück von mir.
Mit tränenerstickter
Stimme sang ich die dritte Strophe und sah vor mir den sterbenden Soldaten mit
erhobener Hand. Das war so traurig:
Will mir die Hand noch reichen,
derweil ich eben lad'.
Kann dir die Hand nicht geben,
sei du im ewigen Leben
mein bester Kamerad.
derweil ich eben lad'.
Kann dir die Hand nicht geben,
sei du im ewigen Leben
mein bester Kamerad.
Schluchzend verließ ich
mit meinen Eltern den Friedhof. Voll Trauer über den Verstorbenen, den
unbekannten Soldaten und das ganze Elend der Welt. Jetzt sah ich, dass auch
andere Dorfbewohner weinten. Das tröstete irgendwie.
Der Friedhof, ein Platz,
an dem man weinen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Wenn du auf meinem Blog kommentierst, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.
Beide Links auf der Seite Datenschutz